prozeß am hals.

so eine querflöte muß ja alle paar jahre mal generalüberholt werden.
in unserer ja relativ kleinen stadt mit überschaubarer szene, gibt es dafür zwei möglichkeiten. zwei stationen, an denen man sich um die blasinstrumente aller bigband-, blaskapellen-, flötenchor-, orchester-, musikschulmitglieder kümmert. als flötenlehrerin und musikerin verteilt man bestenfalls die gunst auf beide. schickt den einen schüler zum flöte kaufen hierhin, den andern dort, und wenn man selber mal eine kleine reparatur hat, läßt man sie bei dem einen machen, und wenn mal wieder was ist, den anderen.


so hab ich es jahrelang gehalten, ach was, jahrzehntelang, mit ausnahme meines 9jährigen stuttgarter exils.
seit fünf jahren bin ich nun wieder hier. beide werkstätten haben kundschaft von mir bekommen, aber nun war dann eine generalüberholung an meinem leib-und mageninstrument fällig. ich brachte sie nach dem eene-meene-muh prinzip zu werkstatt a.  und kriegte und kriegte sie nicht wieder. man muß wissen, daß diese reparatur normalerweise eine woche bis zehn tage dauert. dann muß ein professioneller flötist sein instrument wieder haben. das ist doch klar, das weiß jeder flötenbauer. (ja, ich hätte sie auch wegschicken können, nach stuttgart, zu einem meister meines vertrauens, aber ich mit meinem eingebauten local-dealer-support....) jedesmal, wenn ich anrief, hieß es: "äh... *stammel*...diese woche brauch ich noch...."
mir wurde allmählich mulmig und ich dachte: der kriegt das nicht hin.
zuhause hieß es: "don't press him, then he will do a bad job!" 
ich spielte auf meiner alten not-flöte so lange, aber die kann eben nicht, was die richtige kann.
als ein notfall kam und ich ganz dringend eine mit ähnlicher mechanik brauchte, bekam ich ein modell aus seinem laden, aber die konnte natürlich auch nicht, was meine kann, denn die war ja auch ein schülermodell, und man kann auf gar keiner fremd-flöte auch nur annähernd so spielen und sich so zuhause fühlen wie auf der, mit der man 20 jahre zusammengewachsen ist. es ist einfach nicht so, als wenn der wasserhahn in der küche kaputt ist und man sich ein paar tage mit dem aus dem badezimmer behilft, es geht um sensibelste abläufe und steuerungen, eben das, was einen beruflichen musiker ausmacht. und außerdem ist dies das instrument, das meine stimme ist und mit dem ich mein geld verdiene. von dem ich lebe. meine existenz.



irgendwann, nach langen wochen, der ersehnte anruf, angereichert mit etlichen ausreden ob der absurd langen wartezeit. ich fuhr hin, nur die buchhaltung war da, und holte die flöte ab. im laden ausprobieren kam gar nicht in frage, wie soll ich sensibelstes erspüren, wenn ich von dem instrument, das ja wie ein organ meines körpers ist, wochenlang abgeschnitten war? nein nein, erstmal ganz in ruhe zuhause ausprobieren.
als erstes fiel mir auf, daß die beule am kopfstück  immer noch da war, und ich fragte mich: wie kann man so etwas polieren, also dieses wunderschöne kunstwerk aus silber und rotgold, gefertigt von der traumhaften wiener flötenwerkstatt, eigens für mich, lange in der hand haben und genau anzusehen, ohne die beule rauszumachen? das ist doch das erste, was man tut!
und dann: kam kein ton.
ab a nach unten war funkstille.
ich probierte am nächsten tag, aber die funkstille fühlte sich nicht wie ein schräubchen an, das vergessen wurde, ...ich fühlte, daß dies schwerwiegender war. und daß ich jetzt die möglichkeit hatte, wieder hinzufahren, dann wird da dran herumgeprokelt, es spielt, und dann nach zwei stunden nicht mehr, oder man gleicht aus, ansatz, fingerdruck, alles, was in langen studien-und berufsjahren genauestens eintrainiert wurde, versaut man sich, weil man es nicht wahrhaben will, daß die teure reparatur schlicht und einfach in die hose gegangen ist. und dann fährt man wieder hin, zeit, die man gar nicht hat...und so weiter. ich habe so etwas vor vielen jahren andernorts schon mal erlebt.
wenn man den laden verläßt, mit einer frisch generalüberholten flöte und einer rechnung über 650 euro in der hand, dann muß man mit dieser flöte auf die nächste bühne gehen können, und sie muß verläßlich sein.
gottseidank war da keine bühne weit und breit.
nachdem ich den schock soweit verdaut und mein schicksal angenommen hatte, bin ich zu bläser-werkstatt b gegangen. ich wollte nur mal gucken lassen, was mit meiner flöte los ist. eine zweite meinung. eine bestandsaufnahme. meine hoffnung war, daß er sagt, ach, da muß nur hier nochmal die feder richtig reingesetzt werden, dann ist es gut.
aber nein, er hielt mir die flöte hin und erklärte mir und zeigte mir (und einem alten bekannten, der auch gerade da war) mittels eines kleinen blättchens, daß die polster krumm und schief waren, er meinte, die paßten sogar gar nicht zu meinem modell, und daß filze und korken ebenfalls schief abgeschnitten seien. und ich wußte, was ich gleich gewußt habe: die flöte muß neu gepolstert werden. das ist die gleiche arbeit nochmal, der gleiche preis nochmal. die verlorene zeit, die lücke in der kontinuität meiner übung ist dabei, würde ich sagen, der weitaus schwerwiegendere und gar nicht mit geld aufzuwiegende negativaspekt.
ich also schnurstracks zu werkstatt a. und dem guten mann ganz nett erklärt, daß ich keine nachbesserung von ihm vornehmen lassen werde, denn wer mich erst sieben wochen lang ohne flöte läßt und dann so ein ergebnis abliefert, daß ich leider zu dem kein vertrauen mehr habe.
er fing dann an, ja wir müßten uns ja einigen usw. ich sagte, okay, wir telefonieren. und weg war ich. ich gab die flöte werkstatt b, welche den auftrag annahm.
am nächsten tag das telefonat. mir war mittlerweile bewußt geworden, wie absurd es wäre, überhaupt geld für: was überhaupt??? zu bezahlen. dafür, daß ich von meinem instrument entfremdet war, daß ich dann eine unspielbare flöte in den händen hielt, auch noch bezahlen? mein umfeld war noch empörter als ich. aber werkstatt a wollte kohle sehen. ich sagte: wir haben immer ein sehr gutes geschäftsverhältnis gehabt, und ich werde dir weiterhin schüler schicken, das hat jetzt damit gar nichts zu tun, du hast dich mit dem auftrag übernommen, aber sei's drum, wir sind hier in einer kleinen stadt, und ich werde das nicht breittreten, ich versalze niemandem die suppe. ich ein bißchen wütend, er eher zerknirscht, legten wir auf. nochmal drüber schlafen.
ich hörte nichts mehr von ihm.
ich ging davon aus, wie ich gedacht hätte an seiner stelle. da ist eine musikerin, die jeder hier kennt, zumindest jeder, der mit musik zu tun hat, eine öffentliche figur also, die hat jede menge schüler, einer hochmotivierter als der andere, was ich immer wieder in meinem laden beobachten kann, wenn sie hier mit strahlenden augen stehen, und die kaufen sich hier nicht nur flöten für 1000, sondern auch mal eine für 2500 euro,und bleiben meine kunden für viele, viele jahre.....und nun hab ich ihre verhunzt, aber sie haut mich nicht in die pfanne, da kann ich froh sein, schwamm drüber, glück gehabt. hätte auch anders kommen können. betrachte ich die ergebnislosen arbeitsstunden mal als übung.

irgendwann kam eine mahnung. 650 euro. ein fehler seiner buchhaltung.
nach unserem gespräch ein dummer irrtum seines büros.
dachte ich.
lächelnd knüllte ich den wisch zusammen und schmiß ihn in den müll.
ich schickte ihm wieder eine mutter, die eine flöte für ihren sohn mietete, als goodwill-signal und beweis für meine ehrlich gemeinten worte.
dann kam post von seinem rechsanwalt.
inkasso-bescheid über 650 euro. anwaltskosten, gerichtsandrohung usw.
das ist doch nur noch als verhöhnung der kundschaft zu bezeichnen und in meinen augen unendlich dumm.
für mich ist es im schlimmsten falle einmal ein finanzieller schlag, der sich wieder rauswächst.
für werkstatt a jedoch ein richtig saftiger image-schaden. ist der ruf erst ruiniert, klagt es sich völlig ungeniert.
was sagte heute ein erwachsener schüler (der nie wieder dessen laden betreten will, auch nicht für die ganz speziellen saxofon-mundstücke, die es in kiel nur da gibt): wenn man mit seiner kundschaft vor gericht zieht,  verliert man immer.
vor allem: es ist ja nicht so, daß ich so eine bin, die ihre rechnung nicht bezahlen wollte, weil sie das geld nicht aufbringen kann oder will, ich habe die rechnung ja sofort bezahlt - dem, der die arbeit mit dem erwarteten ergebnis ausgeführt hat.
wie kann einer mit mir vor gericht ziehen für etwas, was er selber verbockt hat???
ich soll noch für den mist, den er verzapft hat, bestraft werden? geht's noch?
jetzt halte ich natürlich nicht mehr meinen mund. im gegenteil, ich bin es meinen kollegen und auch den zukünftigen schülern schuldig, sie vor solchen unlauteren methoden zu warnen.
und vor mangelnder fachkompetenz und zu großer klappe.
und ich bin gerührt von der regen anteilnahme, die ich von allen seiten aus der fachwelt erfahre.
allerdings bin ich erstaunt über die erfahrungsberichte anderer mit ebendieser firma. da kommt sowas wohl schon öfter mal vor....und man hat sich allgemein gewundert, daß ich mein instrument hier hingebracht habe.

heute kam post.
mir  krachte das kinn auf die tischplatte.
werkstatt a hat sich dafür entschieden, eine geschichte zu erfinden.
die argumentation auf lügen aufzubauen!!!
einfach alles  abzustreiten.
die flöte habe ordnungsgemäß funktioniert, als ich sie abholte. ich fass es nicht.

na warte!

ich habe auch einen anwalt.
und ich sage die wahrheit, und das liebend gern unter eid!

übrigens: die flöte ist jetzt ganz hervorragend.
vielen dank, werkstatt b!
geht doch... :-)

Kommentare

  1. Ich denke als Nichtanwalt, da muss Werkstatt b ran und den Zustand der armen Querflöte zum Datum xy detailliert bezeugen.

    Aber man lernt nie ja aus. Wahrscheinlich wärs der bessere Weg gewesen, mit dem defekt reparierten Teil und einer Bestätigung von Werkstatt b erst mal selbst zu einem Anwalt zu gehen, um den Tatbestand festzuhalten. Sag ich jetzt mal als Nichtanwalt.

    Wie auch immer es ausgeht, ich habe schon den Eindruck, dass das Image des komischen Ladens durch diese Sache nicht besser wird. Ich würde in so einem Fall durchaus auch alle rechtlich vertretbaren Register ziehen, um die Sache nicht mehr unters Mäntelchen der Verschwiegenheit zu stecken. So gehts ja nicht, Werkstatt a!

    Ich bitte außerdem um besonderes öffentlichen Lob der "guten" Werkstatt b, damit das alles klar ist...

    Viel Erfolg dir und lass dich nicht so arg ärgern, wenns geht.

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  2. @ mkh: klar hätte ich sicherlich dies oder das optimaler gestalten können. aber ich steckte ja in einer sehr freundlich-positiven geschäftsbeziehung mit a. ich hätte den nie für so absurd-blöd gehalten! für bösartig schon gar nicht. ich bin relativ un-wütend. bringt ja nix. und ich werde das vor gericht alles genau so erzählen. was hätte ich davon, das alles erfunden zu haben? es geht jetzt alles seinen gang, ist furchtbar lästig und finanziell ärgerlich (vielleicht), aber ich habe einen sehr guten anwalt und denke mal so'n richter ist ja auch nicht blöd. und was die geplante propaganda in die eine wie die andere richtung betrifft, höhö... da wird mir noch manches einfallen *kicher*!

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  3. Liebe Yael,
    welch eine dumme Geschichte. Ich kann deinen Ärger sehr, sehr gut verstehen.
    Lass mich dir bitte dennoch einen Rat geben, der so gar nichts mit Musikinstrumenten zu tun hat, aber umso mehr mit meiner Erfahrung mit Rechtsstreits:
    Reib dich nicht zu sehr auf an der Sache. Ärgere dich nicht. Mach es nicht zu deinem Kreuzzug. Versuche die Emotionen aus dem Fall zu nehmen. Siehe es einfach als einen Streit um die Rechnung über eine nicht erbrachte Leistung an. Du lässt sonst wirklich Substanz daran. Ich weiß das aus eigener Erfahrung.
    Pass bitte auf dein fröhliches Lachen auf. Nicht, dass es irgendwo zwischen Gerichtsterminen, Anwaltsschreiben und dummen Lügen zerrieben wird. Letztlich ist es nur Geld, um das es geht.
    Herzliche Grüße, Svenja

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  4. Unglaublich. Echt. Aber wie du schon sagst... Am Ende wird A definitiv der Verlierer sein und das sei ihm von HERZEN gegönnt. Da kann man ja nur emotional eskalieren.

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  5. liebe gesche - ach wie blöd und wie lästig ist das denn?! deinen ärger, den frust und auch die persönliche, menschliche enttäuschung kann ich gut nachfühlen. bei solchen blödmenschen kann eine nur auf abstand gehen - innerlich und äußerlich. hilft es, dass du's dir hier von der seele hast schreiben können? der text liest sich jedenfalls super!

    etwas mir ähnlich nach- und nahe-gehendes habe ich mal erlebt mit einer vermieterin. der gings nur ums geld, ständig hat sie alle tatsachen verdreht und gelogen, bis in ihrem haus kein balken mehr gerade war .... die hat mich vor gericht gezerrt wegen sachen, die sie selbst erfunden hatte. ich sollte das mal noch aufschreiben ;-)

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  7. @ hans: würde ich natürlich gern, aber nachher kann man mir womöglich wieder was ans zeug flicken....
    @ svenja: bin zum glück innerlich relativ ruhig. ich verlasse mich da mal ganz auf meinen äußerst scharfsinnigen RA.
    @ sudda: ich seh das fast mehr von außen. ich bin froh, daß ich sofort meinen anwalt eingeschaltet hab.
    @ mo jour: ja, es tut gut, das mal so von der leber zu schreiben.
    eine vermieter-story hätte ich auch noch auf lager. die kommt bald!

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  8. Bah, was für eine Sauerei! ganz offensichtlich ist der Typ überhauptnicht in der Lage, einzuschätzen, welche positive Bedeutung du bisher für sein Geschäft hatest, wenn er das für lumpige sechshundertnochwas Euro aufs Spiel setzt. Wenn man so einen Murks fabriziert, muss man das doch einsehen.
    Ehrlich, ich war sehr erleichtert, dann im letzten Satz zu lesen, das es der Flöte nun dank der anderen Werkstatt wieder gut geht!

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  9. @ zimtapfel: ja, ich bin auch froh, daß ich wieder unterrichten und üben kann. ich habe diesen post an viele leute aus der szene versendet und bekomme die ganze zeit solidarische, empörte anrufe und emails. dumm von dem mann, wirklich dumm. und alle sind dankbar für diese information, damit ihnen nicht dasselbe passiert.

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  10. @ hans: ich werde noch in die bresche springen für die gute werkstatt.doch, er hat gesagt, daß alles krumm und schief war, die polster so gar nicht schließen konnten und wohl auch nicht die original-polster waren.

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  11. früher nannte man dieses Verhalten Yael Selbstjustiz. Wo sind wir denn hier - genau in einem Rechtsstaat. Nicht nur du Yael hast Rechte auch die Werkstatt die deine Flöte nicht zu deiner Zufriedenheit repariert hat. Du kannst also nicht hingehen und sagen, jetzt lass ich Werkstatt B ran und Werkstatt A kann sehen wo er bleibt. So geht das nicht. Werkstatt A hatte keine Möglichkeit, Stellung zu beziehen, geschweigedenn eine Nachbesserung anzubieten.
    Ich denke, du kannst diesen Rechtsstreit nicht gewinnen.
    Und ich hoffe ganz ehrlich, dass es so kommen wird - dem Rechtsstaat zu Liebe.
    Ich bin weder verwand noch anderweitig mit einer ser Streitparteien verbunden.

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  12. @ anonym: ich kann mich durchaus in Ihre perspektive hineinversetzen und verstehe Ihren groll, muß aber dazu folgendes sagen: ich habe mit werkstatt a intensive gespräche geführt, einmal face to face, und einmal am telefon, und er hat sehr wohl stellung bezogen. eine nachbesserung habe ich strikt abgelehnt. wie aus meinem text hervorgeht und nicht allzuschwer zu verstehen sein dürfte, war mein vertrauen erloschen. mittlerweile habe ich packenweise emails von kollegen, die ähnliche erfahrungen mit der arbeit dieses etablissements haben und mir diese detailliert mitgeteilt haben und sätze sagten wie: dieser laden gehört schon lange geschlossen. der eine oder andere wird sicherlich bereit sein, mir im ernstfall beizustehen. selbst wenn der rechtsstaat gewinnt, in dem der angemeierte auch noch bestraft wird-wundern würde es mich nicht, lach- habe ich nicht kampflos zugesehen, wie man als kunde an der nase herumgeführt, verhohnepiepelt und für dumm verkauft wird, sondern das ganze hat ordentlich öffentlichkeit gehabt und hat einmal richtig die runde gemacht, so sind jedenfalls alle gewarnt. darauf kommt es mir an. und ich habe in jedem falle die bessere presse, und das ist manchmal ja soviel mehr wert als die besseren karten ;-)

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